Kultur und Austausch
Weltkultur- und Weltnaturerbe in Japan:
(Japan Forum Vol. 96, Februar 2003, S. 1-2)
In der UNESCO-Liste des Welterbes sind derzeit 730 Stätten aufgeführt; elf von ihnen befinden sich in Japan. Doch ist diese Angabe nur bedingt aussagekräftig; allein in Kyôto zählen 17 verschiedene Komplexe - Schreine, Tempel, Gärten und Residenzen - zu den erhaltenswerten Monumenten, während andernorts ein Bauwerk allein erfasst ist. Kulturdenkmäler sind in der Übersicht ebenso vertreten wie Naturdenkmäler, auch wenn Erstere zahlenmäßig deutlich überwiegen.
Zu den ersten von der UNESCO anerkannten Stätten in Japan gehörten die alten Buchenwälder des im nordöstlichen Honshu gelegenen Shirakami-Gebirges (Präfektur Aomori und Akita) und die tausenjährigen Zedern auf der bergreichen Insel Yakushima (Präfektur Kagoshima) vor der Südspitze Kyushus, die im Dezember 1993 als erste Weltnaturerbe Japans in die Liste aufgenommen wurden.
Beiden Regionen eigen sind spezielle klimatische Gegebenheiten: Im rund 1.300 qkm umfassenden Shirakami-Gebirge sorgen die Dämpfe von der milden Japansee für besondere Lebensbedingungen; Botaniker sind fasziniert von der Vielfalt der erhaltenen Pflanzenarten, Zoologen von der Fauna, da einige einheimische Tierarten wie der japanische Steinadler, der japanische Affe und die japanische Gemse von der weitgehenden Unberührtheit der Natur ebenso profitierten wie Kragenbären, Haubenadler und Schwarzspechte und so dem Aussterben entgangen sind.
Von hoher Luftfeuchtigkeit geprägt ist Yakushima. Hier begünstigte der reiche Niederschlag die Entstehung einer umfangreichen subtropischen bis subarktischen Vegetation, in der manche gefährdete Vogelspezies überleben konnte. Auf Yakushima begegnen uns einige der ältesten Bäume der Welt, darunter die berühmten yakusugi-Zedern mit ihren 3.000 bis 3.500 Jahren. "Spitzenreiter" ist zweifellos die sog. Jomon-sugi (Jomon-Zeder), die mit ihrem gigantischen Umfang von 16,4 m auf ein hehres Alter von 7.200 Jahren geschätzt wird.
Ebenfalls 1993 wurden der Tempel Horyuji (Präfektur Nara) sowie die Burg Himejijo (Präfektur Hyogo) als Weltkulturerbe anerkannt. Anfang des 7. Jahrhunderts von Prinz Shotoku (574-622) gegründet, bildete der Horyuji ein wichtiges religiöses Zentrum, von dem aus sich der Buddhismus in Japan ausbreitete. Auch wenn seine erste Anlage bereits 670 abbrannte und nach dem Wiederaufbau immer wieder in Teilen erneuert und erweitert wurde, gehören zu ihr - dem ältesten erhaltenen Tempel Ostasiens - die vermutlich frühesten noch existie-renden Holzkonstruktionen (7. Jh.) weltweit.
Rund 1000 Jahre später wurde die Burg von Himeji fertiggestellt; sie geht zwar auf Originalgebäude des 14. Jahrhunderts zurück, doch in ihrer eleganten Architektur, die ihr den Beinamen "weißer Reiher" einbrachte, ist sie ein typisches Beispiel für die prachtvollen Burgbauten des 16./17. Jahrhunderts.
Für fast 400 Jahre hielt sie allen Naturkatastrophen stand und überdauerte selbst das große Hanshin-Beben im Januar 1995, ohne ernsthaften Schaden zu nehmen.
Dass Kyoto zum Weltkulturerbe gehört (1994), ist kaum verwunderlich. Seit seiner Gründung als Heiankyo im Jahre 794 für über 1000 Jahre kaiserliche Hauptstadt und Zentrum japanischer Kultur, besitzt es so viele Sehenswürdigkeiten, dass es schwergefallen sein mag, sich für die UNESCO-Liste auf eine überschaubare Zahl an Denkmälern zu beschränken. Zu ihnen gehören u.a. die buddhistischen Tempel Kiyomizudera, Enryakuji, Daigoji und Ryoanji, der berühmte "Goldene Pavillon" (Kinkakuji), der ursprünglich als Adelssitz errichtete Byodoin im nahegelegenen, für seinen Teeanbau berühmten Uji, die Shintoschreine Kamigamo-jinja und Shimogamo-jinja und Nijojo, die einstige Residenz des ersten Tokugawa-Shoguns Tokugawa Ieyasu (1542-1616).
Auch im nach chinesischem Vorbild schachbrettartig angelegten Nara, als Heijokyo 710-784 Sitz des Kaiserhofs, wurden zahlreiche historische Bauten als Weltkulturstätten ausgewählt (1998), darunter bedeutsame Tempel wie der Todaiji und der Kofukuji, aber auch der Kasuga-Schrein mit dem dazugehörigen Wäldchen, in dem über 1000 Jahre an die Natur keine Hand angelegt werden durfte. Bis heute ist es ein Paradies für Hirsche, deren guter Appetit allerdings inzwischen der Stadtverwaltung Sorgen bereitet, drohen sie doch den verbliebenen, ansonsten unberührten Baumbestand aufzufuttern.
Ganz anders präsentieren sich die historischen Dörfer von Shirakawa-go und Gokayama mit ihren Bauernhäusers in Ogimachi (Präfektur Gifu), Ainokura und Suganuma (Präfektur Toyama), kleinen, aber immer noch bewohnten Weilern in unzugänglicher Bergregion, die ihren besonderen Charakter bis heute bewahrt haben. Mit ihren hochgezogenen Giebeln, den steilen Dächern, von denen die Schneemassen im Winter gut herabgleiten können, und den darunterliegenden mehrstöckigen, einst für die Herstellung von washi-Papier oder Seidenraupen-zucht genutzten Kammern sind sie herausragende Beispiele für die gassho-Architektur.
Ihre Einzigartigkeit erkannte der deutsche Architekt Bruno Taut (1880-1938), als er sich 1933-36, vor den Nationalsozialisten nach Japan geflohen, intensiv mit der japanischen Baukunst befasste, und verschaffte dem gassho-Stil internationales Ansehen, dem schließlich auch die UNESCO-Kommission durch Aufnahme in die Liste der Weltkulturerbe (1995) Rechnung trug.
Dennoch gehören die gassho-Bauten nicht unbedingt zum gängigen Programm des Japanreisenden, schon aufgrund der abgeschiedenen Lage der Dörfer. Ein Besuchermagnet sind hingegen die Schreine und Tempel von Nikko (Präfektur Tochigi; Weltkulturerbe 1999), vor allem der Toshogu, der einst als Schrein und Mausoleum für Tokugawa Ieyasu errichtet wurde. Mit seinem reichen, farbig bemalten Schnitzwerk, darunter den berühmten Affen ("nichts hören, nichts sehen, nichts sprechen") sowie weiteren über 300 mythischen Tierdarstellungen ist er Ausdruck maximaler Prachtentfaltung.
Richtig entspannen kann sich der Betrachter auf Miyajima, einer Insel in der Bucht vor Hiroshima, die zu den landschaftlich schönsten Plätzen in Japan gehört und einst als Gottheit verehrt wurde. Der dortige Itsukushima-Schrein (Weltkulturerbe 1996), dessen Hauptgebäude auf das ausgehende 6. Jahrhundert zurückgeht, ist malerisch ins Wasser hineingebaut und scheint bei Flut darauf zu schwimmen - ein Bild, das man unbedingt vor Ort auf sich wirken lassen sollte.
Südlichste Weltkulturstätte Japans (anerkannt 2000) sind die Shuri-Burg und dazugehörige Gebäude und Ländereien in Naha auf Okinawa, die z.T. aus dem 12. Jahrhundert stammen. Ab dem 15. Jahrhundert residierten die Könige von Ryukyu in diesem Palast, der einem ganz anderen Architekturstil verhaftet ist.
Das jüngste, aber international bekannteste Gebäude unter den japanischen Weltkulturstätten ist die 1915 errichtete, heute als "Atombombendom" bezeichnete einstige Industrie- und Handelskammer in Hiroshima, die mit ihrer Ruine eine stete Erinnerung an den ersten Atombombenabwurf und ein Mahnmal für den Frieden darstellt; 1996 wurde sie zum Weltkulturdenkmal erklärt.
- Die meisten dieser Stätten können in der Ausstellung "Weltkulturerbe in Japan" mit 56 Fotos von Miyoshi Kazuyoshi bewundert werden, die die Deutsch-Japanische Gesellschaft Siegburg in Zusammenarbeit mit der Theater- und Kulturprojekt GmbH und der Stadt Siegburg vom 10. März bis 9. April 2003 im Ratssaal des Rathauses Siegburg veranstaltet (siehe Terminkalender).