Kultur und Austausch

Reisen durch das herbstliche Japan:

(Japan Forum, November 2002, S. 1-2)


Liebe Leserinnen und Leser,

wieder einmal ist es soweit: wir befinden uns im letzten Quartal des Jahres. Die prächtigen Farben, die der Monat Oktober hierzulande mit sich bringt, haben nachgelassen, und die Natur bereitet sich allmählich auf ihre Winterruhe vor.

Anders als bei uns hat der Herbst in Japan von September bis in den November hinein eine breite Palette an Naturschönheiten zu bieten, allen voran die wunderbare Laubfärbung der Wälder.

Der Herbst ist daher für Einheimische wie ausländische Besucher die ideale Reisezeit für Japan. Die sommerliche Hitze ist vorbei, die Temperaturen werden angenehm, und Feste, Ausstellungen und Konzerte laden Einheimische wie Besucher zum Mitmachen und Verweilen ein.

Wir möchten Ihnen im folgenden Artikel einige Ausflugsziele nennen, die im japanischen Herbst besonders gerne aufgesucht werden, und Sie auf traditionelle Veranstaltungen und Festivitäten hinweisen, die in dieser Zeit stattfinden.


Die Tradition des momijigari

Wie die traditionelle Kirschblütenschau (o-hanami) im Frühjahr stellte auch der Brauch des momijigari während der Heian-Zeit (794-1192) in höfischen Kreisen einen beliebten Zeitvertreib dar. Die aristokratische Gesellschaft glitt in Booten über die Teiche ihrer Landsitze und genoss bei den Klängen von Musik den Anblick der fallenden Ahornblätter. Manch einer ließ sich durch die leuchtenden Farben zum Dichten inspirieren oder machte sich kurzentschlossen zu einem Ausflug in die Berge auf, um die goldene, bronzefarbene und rote Farbtönung der herbstlichen Naturszenerie zu bewundern.

Vom 12. bis zum 16. Jahrhundert waren vor allem die Tatsutagawa-Region bei Nara mit dem berühmten Tempel Horyu-ji und die Gebiete Sagano und Arashiyama bei Kyoto für ihre prächtige Herbstfärbung bekannt, die auf vielfältige Weise in Poesie und Malerei festgehalten wurde. Mit Beginn der Edo-Zeit (1603-1867) verbreitete sich das Brauchtum des momijigari schließlich auch im gewöhnlichen Volk. Als sich nach der Meiji-Epoche (1867-1912) die öffentliche Transportmittelsituation zu bessern begann, wurde es üblich, Reisen zu lohnenswerten herbstlichen Ausflugszielen auf sich zu nehmen. Diese Tradition ist in Japan bis in unsere Zeit erhalten geblieben.
 

Heutige Ausflugsziele

Wer es im Laufe einer Japanreise einrichten kann, wird sicherlich versuchen, nicht nur Sehenswürdigkeiten und historische Stätten aufzusuchen, sondern auch Abstecher in landschaftlich reizvolle Gegenden zu unternehmen. Zu den Gebieten, die heutzutage gerne aufgesucht werden, zählt neben den bereits erwähnten der Nikko Nationalpark. Das weitflächige Gebiet mit seinen Flüssen, Seen und Wäldern ist von Tokyo aus in zwei Stunden zu erreichen und bietet dem Erholungssuchenden zahlreiche Möglichkeiten. Besonders schön ist im Herbst die Umgebung des indigoblauen Vulkansees Chuzenji, der von dem in 100 Meter Tiefe stürzenden Kegon-Wasserfall gespeist wird.

Auch der 1 1/2 Bahnstunden von Tokyo entfernte Ort Hakone (Präfektur Kanagawa) mit seinen zahlreichen heißen Quellen (onsen) und dem idyllisch gelegenen Ashi-See bietet eine ideale Gelegenheit zum Wandern durch leuchtende Herbstwälder.

Nicht versäumen sollte man einen Ausflug zum Berg Fuji, dem Wahrzeichen Japans. Die Bergsteigersaison dauert vom 01. Juli bis 31. August und zieht Wanderer aus ganz Japan an. Die Umgebung der am Fuße des Fuji gelegenen fünf Seen bietet im Herbst eine sehenswerte Laubfärbung.

Nicht nur in ländlichen Regionen, auch in den Gebieten einiger Städte zeigt sich die dritte Jahreszeit in Japan von ihrer schönsten Seite. So lohnen sich z.B. in und um Tokyo Ausflüge nach Oku-Tama, in den Shinjuku Gyoen und auf den Berg Takao.

Ein besonderes herbstliches Highlight bietet die alte Kaiserstadt Kyoto mit ihren zahlreichen Tempeln und Schreinen, die zumeist in bewaldeten Gegenden anzutreffen sind. Aufgrund seiner vielfältigen Vegetation bietet der Stadtteil Arashiyama ein besonders farbenprächtiges Naturerlebnis, das jährlich mit einem fröhlichen Fest (momiji matsuri) gefeiert wird, bei dem zehn prächtig dekorierte Boote auf dem Fluss Oi-gawa bestaunt werden können.

Als "Klein Kyoto" wird häufig das in den Bergen der Präfektur Gifu gelegene Städtchen Takayama bezeichnet. Das Hida-Bergmassiv, in das der Ort eingebettet ist, zählt zum Nationalpark der Japanischen Alpen und besticht durch seine landschaftliche Schönheit, insbesondere im Oktober und November. Takayama selbst ist historisch gewachsen, hat zahlreiche Kulturgüter und konnte seinen ursprünglichen Charakter bis heute bewahren.


Feste und Veranstaltungen

Der Herbst in Japan bietet eine große Vielfalt an Veranstaltungen, die oft seit Jahrhunderten gefeiert werden und sich nicht dem Touristengeschmack angepasst haben. Wir möchten Ihnen im Folgenden einige traditionelle Feste nennen, die typisch für die Herbstmonate in Japan sind, bitten aber um Verständnis, dass wir aus Platzgründen nur eine kleine Auswahl treffen konnten. (*)

Am Schrein Tsurugaoka Hachimangu in Kamakura findet jährlich (16. September) ein Yabusame-Wettbewerb statt, bei dem berittene Bogenschützen in mittelalterlichen Kostümen versuchen, im Galopp mit Pfeil und Bogen hintereinander drei Ziele zu treffen.

Das Ritual des Yabusame geht auf MINAMOTO Yoritomo (1147-1199) zurück, der es als Bestandteil der kriegerischen Ausbildung etablierte und entsprechend förderte. Auf sein Geheiß wurde im Jahre 1187 die berittene Kunst des Bogenschießens am Tsurugaoka Hachimangu eingeführt, da Yoritomo hoffte, auf diese Weise die mentale Stärke und religiöse Hingabe seiner Krieger festigen zu können.

Beim Okunchi Fest am Suwa-Schrein in Nagasaki (07. bis 09. Oktober) wird ein chinesischer Drachentanz vorgeführt.

Am Schrein Hachimangu in Takayama (Präf. Gifu) wird traditionell (09. und 10. Oktober) ein matsuri gefeiert, an dem farbenprächtige Festwagen durch die Straßen ziehen.

In Nikko findet jährlich (16. bis 17. Oktober) am Schrein Toshogu ein großes Herbstfest mit einer feierlichen Parade statt.

Am Heian-Schrein in Kyoto wird das Jidai matsuri gefeiert (22. Oktober), mit dem man an die Gründung  der Stadt Kyoto im Jahre 794 erinnert und in einem großen Umzug fast 12 Jahrhunderte der Geschichte Kyotos als Sitz des Kaisers nachstellt. Das Jidai matsuri zählt zu den drei größten Festen in Kyoto.

Beim Feuerfestival in Kurama im Norden von Kyoto (22. Oktober) ist der Weg zum Schrein Yuki-jinja mit einer langen Reihe von Fackeln gesäumt.

Der Zeitraum Mitte Oktober bis Mitte November ist besonders für Blumenliebhaber interessant, denn am Meiji-Schrein, am Asakusa Kannon-Tempel und andernorts in Tokyo werden vielfältige Chrysanthemen-Ausstellungen geboten.

Das Karatsu-Schrein- Festival in Saga (02. bis 04. November) ist für seinen farben-prächtigen Umzug berühmt, bei dem u.a. eine riesige Meerbrasse durch die Straßen getragen wird.

Beim Daimyo Gyoretsu (03.November) zieht eine feierliche Prozession durch den Kurort Yumoto in Hakone, die einen Feudalherrn mit seinem Gefolge darstellt.

Während des Ohitaki matsuri in Kyoto (um den 11. November) werden am Fushimi Inari Schrein drei große Lagerfeuer entzündet und ab ca. 14.00 Uhr eine Unmenge von Stöckchen mit Gebeten von Gläubigen aus ganz Japan verbrannt. Das Fest ist landesweit bekannt und wird auch in zahlreichen anderen Tempeln und Schreinen in Kyoto gefeiert.

Beim Shichi-go-san-Fest (am 15. November und zu anderen Terminen) besuchen Eltern mit ihren Kindern im Alter von drei (san), fünf (go) und sieben (shichi) Jahren einen Schrein, um den Segen der Götter für ihre Sprösslinge zu erbitten.


(*) Wir danken der Japanischen Fremdenverkehrszentrale Frankfurt für die freundlicherweise zur Verfügung gestellten Materialien. Bei der Nennung von Festen und Veranstaltungen haben wir uns an den Angaben der JFZ orientiert, die ausführliche Unterlagen und touristische Informationen für Japanreisende bereithält.

[Für die o.a. Epochenangaben vgl. Ein chronologischer Abriss der japanischen Geschichte; Reihe Japan im Spiegel, hrsg. Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, Japan]

 

 

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