Kultur und Austausch

Jahresende in Japan:

(Japan Forum, Dezember 2001, S. 1)


Ähnlich
wie im Westen, wo verschiedene Bräuche der Adventszeit sowie Warenangebot und Schaufensterdekorationen der Geschäfte auf das nahende Weihnachtsfest einstimmen, ist auch in Japan deutlich spürbar, wenn das Ende des Jahres näher rückt. Früher gab es in Japan besonders in ländlichen Gegenden den Tag des o-koto-hajime ("Anfang der Dinge"), an dem man mit den für einen guten Wechsel in ein hoffentlich glückliches und erfolgreiches neues Jahr notwendigen Vorbereitungen anfing.

Ursprünglich ging es darum, dem "Jahresgott" (toshigami) bei seinem Besuch zu Neujahr einen würdigen Empfang zu bereiten. Dafür wurde oft am 13. Dezember die Wohnung oder das Haus einem Großputz unterzogen. Noch heute ist dieser - inzwischen allerdings meist erst gegen Monatsende - ein fester Bestandteil der Neujahrsvorbereitungen sowohl im privaten Bereich als auch bei Schulen, Tempeln und Schreinen (susuharai). An den ersten drei Tagen im Januar hingegen verzichtet man bewusst auf das Abstauben, vielleicht um damit - wie der Japanforscher Basil Hall Chamberlain meinte - das frisch angekommene Glück auf keinen Fall fortzuwischen.

Nach der sorgfältigen Reinigung beginnt man zuhause mit dem Dekorieren. Über der Eingangstür aufgehängte Reisstrohseile (shimenawa) mit weißen Papierstreifen (shide), die uns in ähnlicher Form auch in Shintô-Schreinen begegnen und die Heiligkeit des Ortes kennzeichnen, sollen bösen Geistern den Eintritt verwehren. Rechts und links des Eingangs wird gern zur Begrüßung der Jahresgottheit ein großes Arrangement aus Kiefernzweigen - die immergrüne Kiefer galt ursprünglich als Wohnsitz der Götter und damit als heiliger Baum - und schräg angeschnittenen Bambusstangen aufgestellt (kadomatsu), manchmal durch Pflaumenblüten zur beliebten Kombination der "drei Freunde des Winters" ergänzt.

Darüber hinaus wird der Hausaltar mit den für Neujahr typischen runden Reiskuchen (kagami-mochi), Mandarinen und Farnblättern hergerichtet, die alle von symbolischer Bedeutung sind und für Glück und langes Leben stehen. Die Herstellung der Reiskuchen stellt auch heute noch besonders in ländlichen Gegenden ein festliches Ereignis dar. Dabei wird ein spezieller Reis (mochigome) über Nacht eingeweicht, danach gedämpft und schließlich meist von den Männern mit einem Schlegel (kine) in einem großen Holzmörser (usu) zerstampft. Die Frauen formen den fertigen Brei zu runden, leicht abgeflachten Kuchen, die roh oder in verschiedenen Geschmacksvarianten verzehrt werden. Auch andere typische Neujahrsgerichte wie o-sechi-ryôri (Kombination aus Gemüse, Fisch, Hühnerfleisch etc.) werden bereits Ende Dezember vorbereitet. Hierfür verwendet man vor allem Lebensmittel, denen glückbringende Kräfte innewohnen sollen.

Im Dezember gibt es zahlreiche Märkte, vor allem bei Schreinen und Tempeln (sog. toshi no ichi), bei denen man die für Neujahr benötigten Utensilien kaufen kann. Einer der ältesten ist der hagoita-Markt beim Asakusa-Kannon-Tempel in Tôkyô (17.-19. Dezember), auf dem die Schläger für das traditionell an Neujahr von Mädchen gespielte Federball in allen Variationen angeboten werden.

Das Jahresende ist auch eine Zeit, um den Menschen zu danken, die einem in den letzten zwölf Monaten besonders geholfen haben. Ihnen sendet man Geschenke (o-seibo), deren Finanzierung durch den "Winterbonus" (fuyu no bônasu) erleichtert wird, den Berufstätige Anfang Dezember erhalten. Außerdem verschickt man in großer Zahl Neujahrskarten (nengajô) an Verwandte, Freunde, Arbeitskollegen und sonstige Bekannte - eine Sitte, die im späten 19. Jahrhundert in Japan aufkam. Der Text besteht meist aus wenigen recht formalisierten Zeilen, die früher mit dem Pinsel, heute jedoch immer häufiger mit dem Computer geschrieben werden. Ein beliebtes Motiv ist das Tierkreis-zeichen des neuen Jahres, für 2002 also das Pferd (uma), aber auch Familienfotos sind inzwischen groß im Trend. Gern verwendet man überdies Neujahrskarten mit einer Losnummer am unteren Rand (o-toshidama-tsuki nenga-hagaki), mit denen der Empfänger automa-tisch an der alljährlich von der Post veranstalteten Lotterie teilnimmt. Die entsprechend gekennzeichneten Karten werden von den Postämtern gesammelt und pünktlich am 1. Januar zugestellt; alleine für diese Leistung verdient die japanische Post höchste Anerkennung. Es gilt als höflich, auf Neujahrskarten möglichst rasch zu reagieren, falls man den Absender nicht bereits mit einer nengajô bedacht hatte. Eine Ausnahmeregelung gilt, wenn ein Familienmitglied im betreffenden Jahr gestorben ist, denn dann schickt man frühzeitig eine Trauerkarte (mochu-hagaki) und verzichtet auf die üblichen Neujahrskarten.

Der 23. Dezember, der Geburtstag des Tenno, ist ein offizieller Feiertag. An Weihnachten hingegen arbeitet man normal; das Fest wird in religiösem Sinne nur von dem kleinen Teil der christlich getauften Bevölkerung begangen. Dennoch begegnet einem ab Mitte November in vielen Geschäften Weihnachtsdekoration, und der 24. Dezember hat in Japan ebenfalls eine besondere Bedeutung: An ihm treffen sich Paare gern zu einem romantischen Abendessen bei Kerzenschein in einem schönen Restaurant, und so mancher Heiratsantrag wurde an Heilig Abend ausgesprochen. Auch sonst sind die Kneipen und Restaurants im Dezember meist für Jahresabschlussparties (bônenkai) völlig ausgebucht.

Am 31. Dezember (ômisoka) isst man toshikoshi-soba, ein Gericht mit besonders langen, dünnen Buchweizennudeln, die das Erreichen eines hohen Alters und familiäres Wohlergehen verheißen. In manchen Gegenden ziehen verkleidete und maskierte Leute von Tür zu Tür und führen z.B. den Löwentanz (shishimai) auf. Wenn Mitternacht naht, werden in den buddhistischen Tempeln im ganzen Land die Glocken 108 Mal angeschlagen (joya no kane). Jeder dieser Glockenschläge erlöst den Menschen von einer der 108 irdischen Begierden, so dass er mit Verklingen des letzten Tones um Mitternacht unbeschwert in das neue Jahr eintreten kann. Und so besuchen an Silvester und Neujahr viele Millionen Japaner die Tempel und Schreine, um um Glück und Gesundheit im neue Jahr zu bitten und durch den Kauf von Orakellosen (o-mikuji) einen ersten Einblick in ihre zukünftigen Geschicke zu erhalten.

 

 

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